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Rupert Gsöls freut sich über eine gute Ernte (und ärgert sich über den „Aktionismus“ im Handel) © Foto: Privat

„Es ist nicht notwendig, den ‘Pink Lady‘ im Regal zu haben!“

Ein Artikel von DI Gabriele Luttenberger | 29.10.2018 - 09:54
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Rupert Gsöls freut sich über eine gute Ernte (und ärgert sich über den „Aktionismus“ im Handel) © Foto: Privat

Nach zwei Katastrophenjahren mit teils massiven Spätfrostschäden können heuer nicht nur die heimischen Obstbauern wieder eine sehr gute Apfelernte einfahren. Die Freude über den reichen Segen ist allerdings nicht ganz ungetrübt: auch EU-weit, insbesondere in Polen, füllten sich in den letzten Wochen die Kisten und Lager. „Besseres Obst“ hat Rupert Gsöls, Obstbauer in Raabau bei Feldbach (Steiermark) und Präsident des Bundesobstbauverbandes, zu den aktuellen Problemen und Anliegen der heimischen Obstwirtschaft befragt.

 

 

Besseres Obst: Obwohl es bis vor einiger Zeit hieß, dass die Lager alle geräumt sind und es keine Reserven mehr an Apfelsaftkonzentrat gibt, wird nun eine Preismisere beim Pressobst beklagt. Was läuft hier anders als erwartet?

Rupert Gsöls: Dass Russland weiterhin kein Entlastungsmarkt ist, schlägt sich sowohl im Tafelobst- als auch im Pressobstpreis nieder. In Polen werden sichtlich inoffiziell Unterstützungen von Firmen geleistet, damit es möglich ist, polnisches Pressobst um 40-45 €/t den Verarbeitungsbetrieben zuzustellen. Da bleiben den polnischen Obstbauern gerade einmal 1–2 Ct./kg. Austria Juice, die Tochter der Agrana und RWA, zahlt bis 85 €/t, da bleiben nach Abzug der Transportkosten 4–5 Ct./kg bei dem Obstbauer. Auch da rechnet sich die Ernte einfach nicht mehr. Aus wirtschaftlicher Sicht lohnt sich das Aufsammeln unter 10 Ct. einfach nicht.

Zudem kommen auch noch gewisse Mengen an Ware mit Hagel- oder Schorfschäden oder mit schlechter Farbentwicklung dazu – aber das ist nicht mehr als in normalen Jahren. In der Steiermark hatten wir zudem eine gute Niederschlagsversorgung, was sich auch in den Zuwachsraten widerspiegelt.

 

Die Initiative „Eisenstraße Apfelsaft“ zahlt ihren Lieferanten – allerdings limitiert auf je 1.500 kg – auch heuer 20 Ct./kg, um sie weiterhin zum Bewirtschaften und Ernten der Bäume zu motivieren.

Es gibt einzelne Abnehmer, die bessere Preise, wie 15 Ct./kg, zahlen. Insbesondere Direktsaft-Produzenten sind zu solchen Preisen bereit. Die große Indus­trie aber arbeitet mit Weltmarktpreisen. Im Sommer war die Einschätzung, dass die Läger nun alle leer sind, sehr positiv, aber die großen Verarbeiter pressen nur, was sie absetzen können, und füllen nicht die Läger voll. Zudem ist China nicht einschätzbar. Hier fehlt sehr viel an Ware, aber es ist noch ungewiss, wie sich das auswirken wird.  Konsumenten ist in diesem Zusammenhang auch viel mehr klar zu machen, dass sie nur dann sicher Apfelsaft aus heimischen Äpfeln bekommen, wenn sie den Saft beim Produzenten vor Ort kaufen.

 

Das ist eine Aufforderung an Konsumenten, noch mehr auf „Regionalität“ zu achten?

Ja, durchaus. Und auch wenn der Handel meint, die Leute fragen nach ‘Pink Lady‘ – es ist nicht notwendig, den ‚Pink Lady’ im Regal zu haben! Wir haben selbst sehr gute Sorten, die einfach nur gut positioniert und beworben werden müssen! Der Apfel ist ein Produkt, bei dem zugegriffen wird, wenn er vor einem da liegt… Den Leuten ist auch klar zu machen, dass ‘Pink Lady‘ immer importiert wird und nie aus heimischem Anbau stammt.

 

Im Handel fällt wieder ein gewisser „Aktionismus” auf, so beispielsweise ca. 7,5 kg rote Äpfel, Klasse 1, in einem geschenkten Korb um 7,99 €.

Dieser „Aktionismus“ im Handel ist ein großes Thema für uns. Oft ist es nicht die beste Qualität und dient nur der Mengenreduzierung. Leider sorgt es auch für eine Preisfixierung bis weit ins Frühjahr hinein und dass die Konsumenten immer weiter auf Aktionen warten. Die kleineren Händler machen die Aktionen mit, aber vielfach mit ausländischer Ware, die natürlich nicht als solche deklariert wird. Was zum nächsten Problem führt, nämlich der Falschdeklaration. Über den ÖBOG (Anm.: den Österreichischen Branchenverband für Obst und Gemüse) ist eine Referenzdatenbank im Aufbau, die es mittels Isotopenuntersuchung ermöglicht, klar festzustellen, dass ein polnischer Apfel ganz sicher kein österreichischer ist. Das soll zwar nur in Verdachtsfällen eingesetzt werden, aber alleine die Möglichkeit dazu hat schon bewirkt, dass heuer weniger falsche „heimische Marillen“ angeboten wurden.

 

Die Erhebung der Erwerbsobstanlagen 2017 hat gezeigt, dass die Obstbaufläche zu-, die Anzahl der Betriebe aber abnimmt. Dennoch ist und bleibt der heimische Obstbau im Vergleich zu vielen anderen EU-Ländern klein strukturiert.

Diese Kleinstrukturiertheit spielt auch in die laufende GAP-Diskussion hinein. Wir unterstützen den Deckelungs-Gedanken angesichts unserer Strukturen, es muss in Richtung Arbeitsplatzförderung gehen, wenn man unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft erhalten will. Wenn weiterhin nur über die Flächen verteilt wird, sind unsere Bauern eines Tages alle weg. Mit den Betriebsflächen wie in Polen oder Rumänien, die teils von Konsortien betrieben werden, können wir nie und nimmer mithalten. Wir hoffen, dass diese Diskussion in der neuen GAP 2021 Niederschlag findet. Es ist wichtig, den Betrieben Perspektiven zu geben, auch den 10 ha-Betrieben, damit sie Nachfolger finden. Viele Bauern leben schon von der Substanz, dass ist den meisten Politikern viel zu wenig bewusst. Die Kleinstrukturiertheit darf kein Wettbewerbsnachteil sein! Im Gegensatz zur großflächigen Bewirtschaftung im Ackerbau geht es im Obstbau um Hunderte Stunden Handarbeit, die zu entgelten sind.

 

Eines Riesenproblem waren heuer vielerorts fehlende Erntehelfer.

Wir nehmen zunehmend wahr, dass es immer schwieriger wird, gutes Personal aus den bisherigen Ländern zu finden. Viele gehen lieber nach Deutschland, weil sie dort wegen der 70-Tage-Regelung weniger Abgaben in diesem Zeitraum zahlen als bei uns. Diese Regelung wurde nun auf unbestimmte Zeit verlängert, womit wir diese Regelung auch für uns fordern! Den Menschen geht es um die Bezahlung, um das, was sie nach der Arbeit auf die Hand bekommen, und nicht um irgendeinen minimalen Pensionsanspruch irgendwann. Es ist auch hier Aufgabe der Politik, Wettbewerbsvorteile und keine -nachteile zu schaffen!

 

Ein Problem, das immer öfter auftritt, ist die mangelnde Wasserversorgung, sei es zur Bewässerung oder Frostschutzberegnung. Gibt es hier Bewegung?

Die Verfahren sind durchsichtiger geworden, gehen – mit Einhaltung allen Auflagen – auch flotter vor sich – aber es ist noch viel zu tun. Auch in z.B. Südtirol geht vieles nicht mehr so einfach wie früher. Das Thema Wasser wird uns in der Landwirtschaft noch lange beschäftigen. Ob künftig mehr zu bewegen ist, wird auch von der GAP 2021 abhängen, ob es höhere Fördersätze gibt. Derzeit geht außer Kleinprojekten nichts. Aber wenn das Geld in Zukunft knapper wird, z.B. durch den Brexit, dann werden Einigungen in der EU ganz sicher nicht leichter.

 

Zuletzt noch eine vorsichtige Einschätzung der Preisentwicklung der Tafelware?

Dazu ist es im Augenblick noch zu früh. Es wird ganz sicher ein schwieriges Marktjahr werden und davon abhängen, ob uns der LEH entgegenkommt oder uns gegenseitig ausspielt.
 

Das Gespräch führte Gabriele Luttenberger