Europa

EU-Staaten stimmen für Renaturierungs-Gesetz

Ein Artikel von Redaktion | 18.06.2024 - 09:17
69893613-a896-4284-bdb6-7f6aa26ad4bd.jpg

Nach Leonore Gewesslers Zustimmung zum EU-Renaturierungsgesetz kracht es gewaltig in der Koalition © APA/Alex Halada

Gewessler hat mit ihrem Ja eine veritable Koalitionskrise ausgelöst. "Österreich wird Nichtigkeitsklage beim EuGH einbringen", teilte die Sprecherin von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) der APA nach der Abstimmung mit. "Das Votum von Bundesministerin Gewessler entspricht nicht dem innerstaatlichen Willen und konnte daher nicht verfassungskonform abgegeben werden." Diese Entscheidung gelte es dann abzuwarten. "Wir gehen davon aus, dass der EuGH so rechtzeitig entscheiden wird, dass eine Vorlage von nationalen Wiederherstellungsplänen vorab nicht notwendig sein wird und damit die nicht notwendige Überregulierung unwirksam bleibt." Klimaschutz sei ein wichtiges Anliegen und die Bundesregierung habe in vielen Bereichen wesentliche Maßnahmen gesetzt, hieß es in der Stellungnahme. "Klar ist aber auch: Die Verfassung gilt auch für Klimaschützer. Niemand steht über dem Recht." Formal einbringen wird die Klage laut Kanzleramt Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP).

"Mein Gewissen sagt mir unmissverständlich: wenn das gesunde und glückliche Leben künftiger Generationen am Spiel steht, braucht es mutige Entscheidungen. Deshalb habe ich heute für dieses Naturschutzgesetz gestimmt", hielt Gewessler fest. Die Europäische Union stelle sich "geeint hinter den Schutz unserer Lebensgrundlage". Das Renaturierungsgesetz sichere Zukunft: "Wir geben der wunderbaren Artenvielfalt in unserer Heimat den Platz, der ihr zusteht. Wo früher ein lebendiger Bach war, ist heute ein betonierter Kanal. Wo früher eine wilde Blumenwiese war, finden wir heute nur mehr eine Betonwüste."

Rückendeckung erhielt Gewessler von ihrem Parteikollegen und Vize-Kanzler Werner Kogler. "Es ist ein historisches Ja zum aktuell weltweit wichtigsten Naturschutzvorhaben", teilte er per Aussendung mit. "Ich danke Leonore Gewessler und dem grünen Team für die Zielstrebigkeit, die Entschlossenheit und den entscheidenden Schritt, der heute gegangen wurde." 

Bis zuletzt war unklar, ob die nötige qualifizierte Mehrheit (55 Prozent der EU-Länder, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren) zustande kommt. Am Ende stimmten 20 Länder dafür, deren Bevölkerung in Summe 66,07 Prozent der gesamten EU-Bevölkerung ausmachen. Hätte Österreich sich also enthalten oder dagegen gestimmt, wäre keine Mehrheit für das EU-Gesetz zustande gekommen. Italien, Ungarn, Polen, Finnland und Schweden stimmten dagegen. Belgien enthielt sich. Nachdem das EU-Parlament bereits für die Verordnung gestimmt hatte, kann das Renaturierungsgesetz im Prinzip nun in Kraft treten.
 
Der belgische EU-Ratsvorsitzende Alain Maron (belg. Grüne) sagte vor dem heutigen Treffen noch, dass man die Möglichkeit eines Votums legal überprüft habe. "Auf unserer Seite wird vom anwesenden Minister im Raum abgestimmt, so läuft das ab", antwortete er auf eine Frage zu Nehammers Ankündigung einer Klage vor dem EuGH. "Für den Rest ist das eine innerösterreichische Kontroverse, die mich nichts angeht."
 
"Es ist ein ausgewogener, ein starker Kompromiss zustande gekommen, der die Interessen der Landwirtschaft berücksichtigt", begründete die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke ihre Zustimmung im Rat.
 
Das EU-Renaturierungsgesetz (Nature Restoration Law) ist ein zentraler Teil des umfassenden Klimaschutzpakets "Green Deal", mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden soll. Das übergeordnete Ziel ist die langfristige und nachhaltige Wiederherstellung biologisch vielfältiger und widerstandsfähiger Ökosysteme. Das bedeutet unter anderem aufgeforstete Wälder, wiedervernässte Moore sowie natürlichere Flussläufe und infolge den Erhalt der Artenvielfalt.
 
Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission vom Juni 2022 stieß auf viel Kritik. In den Verhandlungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten und dem Europaparlament wurde die Verordnung aber abgeschwächt und den EU-Ländern wesentlich mehr Flexibilität bei der Umsetzung eingeräumt. Trotzdem schwenken einige Staaten trotz Kompromiss unter dem Eindruck von Bauernprotesten und der EU-Wahl um. Dadurch war bis zunächst unklar, ob die nötige Mehrheit im Rat der EU-Staaten zustande kommen würde. 

Quelle: APA, aiz.info